Im liberalisierten Energiemarkt stehen Energieversorgungsunternehmen, sowohl reine Energie-Lieferanten („Energie-Discounter“), als auch vertikal integrierte Versorgungsunternehmen (Stadtwerke), vor der Herausforderung ihren Kundenkreis auch außerhalb eines reinen Preis-Wettbewerbes konstant zu halten. Ein Lösungsansatz für diese Herausforderung kann sein auch „Non-Commodity-Produkte“ in das Angebot an Zusatz-Dienstleistungen aufzunehmen. Der folgende Blogbeitrag soll diesen Lösungsansatz, die Analyse und Anbindung von Non-Commodity-Produkten im Leistungskatalog von Energieversorgungsunternehmen näher beleuchten und wo möglich konkrete Hinweise aus der Praxis geben.

Commodity-Produkte versus Non-Commodity-Produkte

Zuerst soll es darum gehen die beiden Produktkategorien, also Commodity- und Non-Commodity-Produkte voneinander zu unterscheiden. Folgende Grafik illustriert den Sachverhalt:

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Bezogen auf die Energiewirtschaft sind Commodity-Produkte im Wesentlichen im Kerngeschäft, sprich die Belieferung von Kunden (unabhängig von deren Segment) mit Strom und Gas, untergebracht. Non-Commodity-Produkte hingegen erweitern den Produktkatalog von Energieversorgungsunternehmen um innovative Lösungen, wie etwa Angebote aus dem Bereich Smart-Home, Elektromobilität, etc..

Den Anfang machen – Non-Commodity-Produkte identifizieren, analysieren und bewerten.

Als logischen ersten Schritt bietet es sich für jedes Energieversorgungsunternehmen an, die Bandbreite an Angeboten im Bereich der Non-Commodity-Produkte darauf zu prüfen, welche Angebote möglicherweise sinnvolle Ergänzungen zum Lösungsangebot ergeben. Einige Beispiele aus der Praxis hierfür sind Angebote aus dem Bereich E-Mobilität, im Speziellen der Aufbau oder die Pachtung von Lade-Infrastruktur, aber auch Angebote zum Thema E-Scooter-Verleih oder deren Aufladung (Juicing). Auch relevant sein können Angebote im Bereich Wartung/Austausch von Hardware – speziell die Prüfung und Modernisierung von Wärmepumpen, Heizkesseln oder auch „Stromfressern“ im Haushalt allgemein kann eine sinnvolle Ergänzung sein. Ein weiteres Beispiel ist die Dienstleistung eines „Wechselservices“ für Kunden. Mit dieser Dienstleistung können Kunden, die aus der Versorgung des Unternehmens wechseln, trotzdem über ein Abonnement-Modell weiterhin kapitalisiert und gegebenenfalls werblich angesprochen werden, wo sonst mit dem Belieferungsende der Kundenkontakt abgerissen wäre.

Sind diese ersten Schritte getan und damit die wesentlichen Einsatzgebiete für Non-Commodity-Produkte klar, kann damit begonnen werden die favorisierten Anwendungen genauer zu analysieren und einen konkreten „Business Case“ dafür zu entwickeln. In die Analyse und weitere Ausarbeitung von konkreten Einsätzen von Non-Commodity-Produkten sollte dringend darauf geachtet werden, das Interesse und die Anforderungen potenzieller Kunden an die zu entwickelnde Lösung im Blick zu behalten. Eine in der Praxis bewährte Herangehensweise an die Erarbeitung einer Lösung, mit gleichzeitigem Fokus auf die Zielgruppe, besteht darin, das Produkt in einer agilen Methode der Wahl (SCRUM; SAFe;…) iterativ zu entwickeln um jeweils ein MVP, ein Minimum Viable Product zu erhalten und dieses mit Ideen aus dem Bereich Design Thinking zu prototypisieren. Beispielsweise kann in einer ersten Iteration das grundsätzliche Interesse einer Zielgruppe an einer möglichen Non-Commodity-Lösung erhoben werden. Sofern die grundsätzliche Idee auf hinreichende Zustimmung stößt, kann z. B. bei einem Website-Service ein Prototyp im gewünschten „Look & Feel“ gebaut werden, der das Produkt für die Zielgruppe greifbarer macht. Nachdem die angestrebte Lösung den Reifegrad eines Business-Case erreicht hat, sollte dieser unbedingt kritisch und von mehreren Stakeholdern aus verschiedenen Themengebieten des Energieversorgungsunternehmens bewertet werden, um sicherzustellen, dass der geplanten Implementierung nichts im Weg steht oder eventuell vorhandene Hindernisse zeitnah beseitigt werden können.

Wichtige Fragen, die bei der Bewertung eines neuen Produktes beantwortet werden müssen, sind (unter anderem):

  • Welchen finanziellen (Business) Nutzen soll das Produkt in welchem Zeitraum bringen?
  • Wie fügt sich das neue Produkt in die Unternehmensstrategie insgesamt ein? Soll damit ein vorhandener Geschäftszweig „flankiert“ werden oder ein komplett neuer eröffnet werden?
  • Steht dem Produkt als „Wagnis“ eine Karenzzeit zur Verfügung, in dem es sich am Markt entwickeln kann oder muss das Produkt vom 1. Tag an Laufen?
  • Gibt es Vorbehalte/Hindernisse aus einem Ressort des Geschäftsbetriebs (z. B. Datenschutz), die besondere Beachtung bei der Umsetzung finden müssen?
  • Wie passt das neue Produkt in die bestehende Systemarchitektur?

Mithilfe dieser Fragen und den Ergebnissen der vorangegangenen Entwicklung des Non-Commodity-Produktes kann eine abschließende Bewertung des Vorhabens erfolgen. Als nächsten Schritt gilt es jetzt zu ergründen, wie die Lösung in den Geschäftsbetrieb integriert (angebunden) werden kann.

Die Teile zusammenstecken – Die Anbindung von Non-Commodity-Produkten in den Geschäftsbetrieb

Jetzt wo die angestrebte Lösung ausführlich bewertet ist und greifbar vorliegt, kann damit begonnen werden diese sowohl organisatorisch als auch technisch in den Geschäftsbetrieb zu integrieren. Die Integration des gewählten Non-Commodity-Produktes sollte in jedem Fall als dezidiertes Projekt und damit außerhalb des operativen Geschäfts erfolgen. Hierfür empfiehlt sich ein kleines und damit agiles Projekt-Team. Idealerweise verfügt das Projektteam hierbei über die notwendigen Kompetenzen, gerade im Themenbereich Projektmanagement. Sollte dieser Zustand nicht gewährleistet sein, ist es erforderlich das notwendige Know-How von außerhalb der Projektgruppe oder sogar außerhalb des Unternehmens zu beschaffen.

Nachdem das Projekt-Team zusammengestellt ist, kann die operative Projektarbeit beginnen. Der wichtigste Schritt bei der Integration ist die umfassende Betrachtung des Kontext, in dem sich das neue Produkt befindet. Hierzu ist die Erstellung eines Kontext-Diagramms auf hoher Flugebene sehr hilfreich. Eine Möglichkeit das Kontext-Diagramm und das weitere Design zu strukturieren, ist die dem Six-Sigma entlehnte SIPOC (Supplier, Input, Process, Output, Customer)-Methode. Basierend auf dem Kontext-Diagramm kann anschließend eine organisatorische, sowie eine technische Architektur abgeleitet werden.

Diese Architekturen sind nachfolgend der Ausgangspunkt für die ersten Prozesse mit deren Hilfe das Vorhaben an die bestehende Architektur des Unternehmens angebunden wird. Im Sinne einer agilen Herangehensweise an das Vorhaben ist es sehr empfehlenswert von Anfang an alle Liefergegenstände iterativ zu entwickeln und diese regelmäßig kritisch zu beleuchten. Ebenfalls von großer Wichtigkeit ist ein ausführlicher und systematischer Testbetrieb sobald das gewünschte Produkt den nötigen Reifegrad ausgebildet hat.

Und was nun?

Natürlich ist allein die Integration eines Non-Commodity-Produktes keine alleinige Lösung für alle Herausforderungen eines modernen Stadtwerks, aber ganz klar ein Schritt in die richtige Richtung. Wir bei affinis sind uns der Aufgaben und Herausforderungen unserer Kunden in der Energiewirtschaft sehr bewusst und arbeiten gerne daran mit diese zu meistern, sprechen Sie uns gerne an.