Das Herzstück jeder agilen Vorgehensweise sind die multidisziplinären und selbstorganisierten Teams. Die agilen Teams bestehen meist aus 7 bis 11 Personen und drei unterschiedliche Rollen:

  • Product Owner (verwaltet das Product Backlog und vertritt die Stakeholder)
  • Scrum Master (beseitigt Impediments und sorgt dafür, dass das Team effektiv arbeiten kann)
  • Entwicklungsteam (setzt die Items des Product Backlogs selbstorganisiert um)

Mit der fortschreitenden Agilisierung einer Organisation wächst auch die Anzahl der parallel zu organisierenden Teams und die Frage wie mehrere Arbeitsgruppen bestmöglich gleichzeitig und zielführend an einem Produkt oder einer Dienstleistung mitarbeiten. Welche Auswirkungen ergeben sich, wenn ein 11-köpfiges Team die Komplexität und den Umfang eines Projektes nicht mehr bewerkstelligen kann? Das SAFe Framework bietet durch etliche Tools, Methoden und Prinzipien genau darauf eine Antwort und schafft es, mehrere agile Teams optimal in einem Unternehmen zu organisieren und koordinieren. Weiterführende Informationen zum Thema SAFe finden Sie in unseren anderen Blogbeiträgen: SAFe – der sichere Wegbegleiter durch die digitale Transformation oder Implementierung von SAFe

Neben SAFe hat sich in den letzten Jahren ein weiteres Framework etabliert: das Spotify Modell. Der Audio-Streaming Dienstleister Spotify hat sein eigenes agiles Modell entwickelt und konnte damit dem rasanten Wachstum in den letzten Jahren standhalten.

Der Aufbau des Spotify Modells

Die Struktur des Spotify Modells ist recht simpel und setzt eine gewisse Agilisierung der Organisation voraus. Im Prinzip lassen sich vier Kernelemente unterscheiden: Squads, Tribes, Chapter und Guilds oder Gilden.

Die Squads

Die Basis des Spotify Modells bilden die Squads. Vergleichbar ist die Squad mit einem selbstorganisierten Scrum Team und soll den Charakter eines Startups besitzen. Die Squad ist durch ihre multidisziplinären Teammitglieder mit allen erforderlichen Kompetenzen und Know-how ausgestattet, die für die Produktentwicklung oder die Dienstleistung benötigt werden. Die Mitglieder der Squad entscheiden selbst wie sie arbeiten möchten, Kanban, Scrum oder ein Mix sind möglich. Jede Squad hat eine langfristige Mission, beispielsweise die Gestaltung einer App und die Squadmitglieder werden so zu richtigen Experten auf ihren Gebieten. Die Squad steuert sich selbst und hat keinen Teamleiter sondern einen Product Owner, welcher die Aufgaben des Teams priorisiert. Squads arbeiten mit Lean Startup Prinzipien, wie dem MVP (minimum viable product). Ein MVP ist ein Instrument, um Services oder Produkte mit geringem Aufwand und minimalen Eigenschaften herzustellen. MVPs dienen dazu schnell Feedback von den Kunden oder Anwendern einzuholen.

Das Risiko, dass das Produkt oder die Dienstleistung nicht den Kundenwünschen entspricht wird so minimiert. Ein weiterer Fokus in der Squad wird auf die Weiterentwicklung der Teammitglieder gelegt. Der „Hack Day“ ist ein Instrument um die Entwicklung zu fördern. Er dient dazu neue Ideen zu entwickeln, den Wissenstransfer zu fördern und den Teamzusammenhalt zu stärken. Dafür werden 10 % der ursprünglichen Arbeitszeit reserviert. Im Vergleich dazu werden im SAFe Modell bestimmte Iterationen reserviert in denen das Team an Innovationen arbeiten kann. Alle Product Owner der Squads erarbeiten in einer High-Level Roadmap die Strategie der Organisation. Aus der Roadmap wird das Product Backlog der Squads definiert. Jeder Squad steht ein Agiler Coach zur Verfügung, welcher Sprint Events organisiert, Hindernisse beseitigt und zur stetigen Verbesserung der agilen Arbeitsweise im Team beiträgt. Idealerweise stehen die Squads im Spotify Modell im direkten Kontakt zu ihren Stakeholdern.

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Der Tribe

Squads mit Produkten oder Dienstleistungen, die miteinander in Verbindung stehen bilden ein Tribe im Spotify Modell. Der Tribe hat einen Tribeleader, welcher für eine angemessene Arbeitsumgebung innerhalb der Squads sorgt. Im besten Fall arbeiten Squads räumlich nah beieinander, das wirkt sich positiv auf die Arbeit aus und fördert den Austausch der Teams.

Die Größe eines Tribes basiert auf der Dunbar Zahl, welche die kognitive Grenze eines Menschen beschreibt mit mehr als hundert Menschen eine soziale Beziehung aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Der Tribe selbst ist eine Art Inkubator für die Squads und unterstützt diese bei Innovationen, Teambuilding und der Realisierung ihrer Ziele.  In regelmäßigen Meetings präsentieren die Tribe Teams ihre Arbeit, zeigen Live-Demos von funktionierender Software oder neue Tools und Projekte sowie Ideen, die aus den Hack Days entstanden sind.

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Scrum of Scrums

Durch die Vielzahl an Squads entstehen automatisch Abhängigkeiten, welche berücksichtigt werden müssen. Das Ziel ist es die Squads so autonom wie möglich zu halten und Abhängigkeiten, welche ein Fortschreiten der Entwicklung verlangsamen oder blockieren zu minimieren. Im Scrum of Scrums Meeting versucht jeweils ein Teammitglied einer Squad mit den anderen die Abhängigkeiten aufzuzeigen und zu diskutieren. Dieses Synchronisationsmeeting wird nach Bedarf einberufen.

Chapter und Guilds

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In Chaptern und Gilden (Guilds) kommen Menschen mit gleichen Fähigkeiten und Kompetenzen zusammen, die normalerweise in multidisziplinären Squads aufgeteilt sind. In einem Chapter geht es um den regelmäßigen Austausch von Expertise und Erfahrungen, so können die Squads voneinander profitieren. Jedes Chapter hat einen Chapterlead, welcher unter anderem die Verantwortung für die Gehälter und die Entwicklung seines Teams trägt. Dabei ist der Lead weiterhin operativ tätig.

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Eine Gilde ist eine wesentlich weitreichendere und flexiblere Community unterschiedlicher Interessen, die beispielsweise ihr Wissen über ein Tool, einen Code oder einzelne Methoden austauschen möchten. Gilden können über die gesamte Organisation hinweg reichen und haben einen Koordinator.

Wie unterscheidet sich das Spotify Modell nun von SAFe?

Mit dem lean-agile SAFe Framework ist es möglich mehrere Scrum Teams innerhalb einer Struktur zu skalieren. SAFe hat eine Menge Tools und Methoden um die Organisation beim Setup und bei der Implementierung zu unterstützen. Das Spotify Modell hat keine starre Struktur und lässt der Organisation viel Freiraum in der Implementierung. Beide Modelle fördern flache Hierarchien und minimieren den Managementaufwand. Ein Vorteil von beiden Modellen ist die Steigerung der Effizienz und die Geschwindigkeit der Teams. Es wird ein Umfeld geschaffen, indem ein Austausch von Fachwissen und Erfahrungen möglich ist, um so Produkte oder Dienstleistungen kontinuierlich zu verbessern. Spotify ist im Vergleich zu SAFe weniger eine große Toolbox und stützt sich mehr auf die Reduzierung von Silos in einer Organisation. Es werden keinerlei Details bekannt wie das Portfolio eines Unternehmens gemanaged werden soll. SAFe ist wesentlich detailreicher und gibt auch für die Bedürfnisse größerer Organisationen ein agiles System vor. Das Spotify Modell zeigt Schwächen in der Portfoliosteuerung und Skalierung von Großprojekten mit verschiedenen parallelen Projekten, die ebenfalls Abhängigkeiten zueinander haben.

Das Modell sollte nicht einfach implementiert werden, sondern die Praktiken und die Strukturen sollten verstanden werden um es dann den Bedürfnissen der eigenen Organisation anzupassen. Dabei kann auch ein „Hybrider-Ansatz“ bzw. die Kombination mehrere Frameworks in Betracht gezogen werden. Der Erfolg von „Spotify“ zeigt, dass das entwickelte Modell zukunftsfähig ist und letztendlich neue Anforderungen der Anwender schnell und qualitativ hochwertig umgesetzt werden können.

Quellen:

Spotify Modell von Kniberg und Ivarsson (2012)